Am 11. April starb Ahmed Ben Bella, der erste Präsident des freien Algeriens. Seine Biografie illustriert die Geschichte der arabischen Linken. Von Ken Olende
Ahmed Ben Bella war der erste Präsident des unabhängigen Algeriens. Zuvor hatte er den Kampf gegen die brutale Herrschaft des französischen Kolonialismus angeführt.
Er bot ein konkretes Beispiel dafür, wie revolutionäre Kräfte eine imperialistische Supermacht mit ihrem monströs gewalttätigen Unterdrückungsapparat überwältigen können.
Von sich selbst sagte er: »Ich bin kein Marxist, aber ich stehe mit beiden Füßen im linken Lager. Ich bin arabischer Moslem, und orientiere mich in meinen Handlungen und meinen Überzeugungen sehr an den Linken.«
Kritik an Folgen der Globalisierung
Nach der Revolution von 1963 war er zwei Jahre lang Präsident. Dann wurde er durch einen Militärputsch abgesetzt. Das neue Regime untersagte den Medien, seinen Namen auch nur zu erwähnen.
Später aber nahm er seine politischen Aktivitäten wieder auf und inspirierte eine neue Generation von Aktivisten der Antikriegs- und globalisierungskritischen Bewegung.
Er sagte der Zeitschrift Socialist Review: »Sich Lösungen für die Probleme der Armut auszudenken, das ist doch gar nicht schwierig, aber dennoch leben Menschen in absoluter Not. Armut und Unterdrückung können eine ungeheure Wut hervorrufen. Was erwartet ihr denn von jemand, der vor dem Hungertod steht?«
Massaker in Algerien
Ben Bella wurde 1918 in eine Familie von Bauern und Händlern geboren. Offiziell war Algerien zu dem Zeitpunkt Bestandteil des französischen Territoriums. Aber Algerier waren von politischen Aktivitäten und vielen Berufen ausgeschlossen. Das Land wurde durch die über eine Million französischen Siedler regiert.
Während des Zweiten Weltkriegs kämpfte Ben Bella für Frankreich. Charles de Gaulle zeichnete ihn höchstpersönlich für seine Tapferkeit aus.
Ben Bella änderte rasch seine Meinung, als er von einem Massaker in seiner Heimat im Mai 1945 hörte. Die französischen Kolonialherren hatten Proteste in der Stadt Setif brutal niedergeschlagen. Tausende Menschen wurden umgebracht.
Aktiv im Untergrund
Ben Bella schlug eine Beförderung aus und kehrte zurück nach Algerien. Später erklärte er: »Ich fühlte, dass ich bei den Menschen meiner Gemeinde in der Schuld stand, nach Hause zu kommen und mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln ihr Los zu verbessern und das Unrecht, das sie erlitten hatten, wiedergutzumachen.
Zunächst arbeitete er als Stadtrat in seiner Heimatstadt Marnia. Aber bald war er im revolutionären Untergrund aktiv.
Er wurde verhaftet und ins Gefängnis geworfen. 1952 befreite er sich, indem er die Stäbe seiner Zelle zersägte.
Welle des arabischen Nationalismus
Ben Bella zog ins Exil und gründete in Ägypten eine neue algerische Widerstandsbewegung, die Nationale Befreiungsfront (FLN). Ägypten war damals das Zentrum des neu erwachten arabischen Nationalismus um Gamal Abdel Nasser.
Der Unabhängigkeitskrieg beinhaltete eine Strategie spektakulärer Angriffe auf Ziele in ganz Algerien, um die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich zu ziehen.
Ben Bella zog von einem Ort zum anderen im Nahen Osten, um den Widerstand zu organisieren. Er wurde schließlich von den Franzosen gefangengenommen und von 1956 bis 1962 inhaftiert.
Gegen den Kolonialismus
Er nutzte seine Gefängnisjahre, um sich Arabisch beizubringen. Ironischerweise war er mit Französisch aufgewachsen. Als Nasser ihn einmal darum bat, eine öffentliche Ansprache zu halten, musste er verschämt zugeben, dass er die Sprache der Massen nicht beherrschte.
1962 hatte die FLN die Franzosen schließlich in eine Sackgasse manövriert, und sie mussten Ben Bella aus dem Gefängnis entlassen. Er trat vor der UNO auf und legte seine Pläne für die Unabhängigkeit offen.
»Das Kredo von Algeriens politischen und diplomatischen Handlungen wird die Liquidierung des Kolonialismus in seiner klassischen wie auch seinen verdeckten Formen sein«, sagte er.
Populärer Präsident
Er wurde 1963 zum Präsidenten gewählt. Es gab keinen Widersacher. Er sprach von Sozialismus und führte eine Reihe populärer Landreformen durch, um den armen und besitzlosen Farmern zu helfen.
»Autogestion«, Selbstverwaltung, wurde zur Tageslosung, nachdem die Bauern das Land von den ehemaligen französischen Eigentümern in Besitz genommen hatten.
Er wurde überredet, den Film »Schlacht um Algier« zu finanzieren, nachdem Saadi Yacif geäußert hatte, die Revolution gehöre nicht allein den Menschen von Algier, sondern den Unterdrückten und Ausgebeuteten auf der ganzen Welt.
Unmögliche Balance
Tragischerweise versäumte es aber Ben Bella, den revolutionären Prozess weiter voranzutreiben. Seine Regierung versuchte einen Balanceakt zwischen den jüngst radikalisierten Arbeitern und Bauern und jenen Kräften, die mit dem Imperialismus Frieden schließen und einen Platz in der kapitalistischen Weltordnung ergattern wollten.
Das stellte sich sehr schnell als ein unmögliches Ziel heraus. Im Jahr 1965 wurde Ben Bella durch einen Putsch gestürzt und bis 1980 unter Hausarrest gestellt. Dann erst durfte er das Land verlassen, das er erst 1990 wieder betreten durfte.
Politisch aktiver Rentner
Ben Bella ließ sein Rentnerdasein hinter sich, um mit der Antikriegs- und globalisierungskritischen Bewegung zusammenzuarbeiten. Er übernahm den Vorsitz der Kairo-Konferenz im Jahr 2002, und im Februar 2003 sprach er auf einer Demonstration von zwei Millionen Menschen im Londoner Hyde Park gegen den Einmarsch in den Irak.
An seinem 88. Geburtstag sprach er anlässlich einer Vorführung von »Schlacht um Algier« in London. Er sagte: »Damals kämpften wir um die Befreiung Algeriens von den Franzosen. Heute geht es um die Befreiung der Welt von der Globalisierung.«
Ben Bella hat sein Leben dem Kampf für Freiheit und gegen den Imperialismus gewidmet, und sein Tod ist ein großer Verlust.
(Zuerst erschienen in der britischen Wochenzeitung Socialist Worker. Aus dem Englischen von David Paenson.)
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