{nomultithumb}Die Blockadestrategie gegen Naziaufmärsche demoralisiert die Faschisten nachhaltig. Das wird sich auszahlen, denn sobald die Eurokrise sich verschärft, werden sie versuchen, daraus Kapital zu schlagen, meint Marijam Sariaslani
»Das war es dann! Lasst es… die Teilnehmerzahlen und das Auftreten wirken lächerlich.« So resümiert ein Nazi auf einer Internetplattform, der den Versuch seiner Kameraden, am 13. Februar 2013 ihren »Trauermarsch« in Dresden durchzusetzen, von vornherein lieber von zuhause aus beobachtet hat.
Aber es ist nicht nur die sächsische Hauptstadt.
Vor einigen Tagen gelang es in Cottbus, wo ähnlich wie in Dresden das Bombardement der Stadt durch die Alliierten dazu genutzt werden sollte, aufzumarschieren, über 3000 Antifaschisten knapp über 100 Nazis massiv zu blockieren, so dass sie lediglich ein paar Meter der geplanten Route laufen konnten. Und auch hier war eindeutig: Während die Anzahl der aktiven Nazigegner jährlich zunimmt, sinkt die der Nazis stetig.
Vergangene Erfolge
Die Probleme der Nazis werden besonders deutlich im Vergleich zu ihren einstigen Erfolgen: So mobilisieren die Nazis seit 1998 nach Dresden, um dort der Opfer der Bombardierung durch die Alliierten 1945 zu »gedenken« und ihre menschenverachtende Propaganda zu verbreiten, mit damals noch wenigen Teilnehmern.
Von 2001 bis 2004 stieg die Teilnehmerzahl von 750 auf etwa 2100. 2005 konnten 6500 Nazis mehrere Stunden durch die Stadt marschieren. Den Höhepunkt bildete das Jahr 2009 mit 7500 Nazis. Und dann war Schluss.
Dresden – Nazifrei
2010 gelang es 12.000 entschlossenen Antifaschisten 6000 Nazis in Dresden zu blockieren. 2011 waren es 20.000 Antifaschistinnen und Antifaschisten, die von überall her kamen um sich den immerhin noch 2500 angereisten Nazis in den Weg zu stellen.
Jetzt – 2013 – waren es nur noch bis zu 800 Faschisten, die von mehr als 4000 Antifaschisten abermals erfolgreich blockiert wurden. Einen Versuch, am folgenden Samstag durch Dresden zu laufen, wie sie es die Jahre zuvor tun wollten, unterließen die Nazis gleich. Game over. Größter Aufmarsch Europas? Geschichte.
Breite und entschlossene Bündnisse
Dieser Erfolg im Kampf gegen rechts lässt sich zurückführen auf die Stärke und Entschlossenheit des Bündnis »Nazifrei! – Dresden stellt sich quer«, das sich 2009 konstituiert hat. Die Breite des Bündnis und der Aktionskonsens waren hierbei ausschlaggebend. Von lokalen Initiativen, Antifa-Gruppen, Parteien, Gewerkschaften und Jugendverbänden über religiöse Gruppen, Einzelpersonen und zahlreichen weitere Organisationen ging der gemeinsame Aufruf zu zivilem Ungehorsam aus.
Man war sich einig, sich den Nazis entschlossen durch menschliche Massenblockaden in den Weg zu stellen. Diese Form von erfolgreichem Widerstand war es, die den Nazis Dresden zum Desaster gemacht hat. Das Bündnis hingegen gewann über die Jahre sogar noch an Breite.
Die richtige Strategie
Das Konzept von »Dresden Nazifrei« wird seitdem auch erfolgreich in anderen Städten angewandt. Durch politisch breit aufgestellte Demonstrationen und entschlossenes Blockieren werden z. B. regelmäßig die Versuche der Faschisten, am 1. Mai Präsenz zu zeigen unterbunden, in vielen Städten lokale Naziveranstaltungen zum Scheitern gebracht.
Das selbst gesteckte Ziel der Nazis, den Kampf um die Straße, die Köpfe und die Parlamente zu führen, geht so auf der Straße nicht auf. Durch die vielen Niederlagen, die sie in den vergangenen Jahren einstecken mussten, gelingt es ihnen kaum noch, ihre eigenen Leute zu ihren Demonstrationen zu mobilisieren. Was sie an Masse nicht realisieren können, versuchen sie nun vermehrt durch Gewalt auszugleichen.
Repressionen gegen Antifaschisten
Bei allem Erfolg bleibt ein bitterer Beigeschmack: Regelmäßig und massiv werden Antifaschistinnen und Antifaschisten aufgrund ihres Engagements Repressionen durch Justiz und Polizei ausgesetzt. Auch hier spielt Dresden eine traurige Vorreiterrolle. »In Sachsen geschehen Dinge, die könnte sich George Orwell nicht einmal vorstellen.«, so der Historiker W. Wippermann über die sächsischen Verhältnisse 2011.
Die Palette der Gewalt reicht vom Einsatz von Wasserwerfern bei Minusgraden über das rechtswidrige Speichern von Mobilfunkdaten aller Demonstranten, Razzien in mehreren Einrichtungen und Wohnungen sowie unbegründete Festnahmen. Die Liste ist lang und zeigt, dass hier mit massivem Einsatz versucht werden soll, den legitimen Protest gegen Faschismus zu behindern und durch das Statuieren von Exempeln die antifaschistische Bewegung zu kriminalisieren und zu spalten.
Solidarität gegen Spaltung
So das Beispiel des Berliner Aktivisten Tim, der wegen seiner Teilnahme an der genehmigten Gegendemonstration in Dresden 2011 zu 22 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt werden soll. Der Vorwurf gegen ihn lautet, durch ein Megafon andere Demonstranten dazu aufgerufen zu haben, nach vorne zu kommen. Ebenso skandalös ist die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten der Partei DIE LINKE, die sich aktiv an den Blockaden der Nazis 2011 beteiligt haben.
Das sind Besorgnis erregende Entwicklungen. Ein Blick nach Griechenland zeigt, wie schnell eine marginalisierte Nazitruppe unter den Bedingungen massenhafter Verelendung wachsen und zu einer echten Bedrohung werden kann.
Die Krise stärkt Faschisten
Die Chrysi Avgi, die Goldene Morgenröte, eine offen faschistische Partei, konnte hier seit Beginn der Krise ihre Wählerschaft mit 440.000 Stimmen auf mehr als das zwanzigfache bringen. Bei aktuellen Meinungsumfragen erhalten sie mehr als zehn Prozent der Wählerstimmen und wären somit die drittstärkste Kraft in Griechenland.
»Sie tritt zu Wahlen an, aber mindestens genauso wichtig ist ihr die Präsenz außerhalb der Parlamente und die Fähigkeit, gegen ihre politischen Gegner Gewalt ausüben zu können.«, so Lefteris Arabatzis, der in Thessaloniki bei der antikapitalistischen Koalition Antarsya aktiv ist, in der aktuellen Ausgabe von marx21.
Anfang Februar demonstrierten die Faschisten zu zigtausend in Athen. Deswegen, meint Lefteris, darf man den Kampf gegen Nazis auch nicht darauf reduzieren, soziale Forderungen aufzustellen. »Das schwächt nicht das außerparlamentarische Gewaltpotenzial der Nazis, ihre Versuche, die Straßen zu erobern.«
Und gerade deshalb sind die jüngsten Niederlagen der Nazis in Deutschland enorm viel wert, ebenso wie die guten Erfahrungen der antifaschistischen Bewegung darin, sie ihnen zugefügt zu haben.
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