In Niedersachsen löst Rot-Grün wohl Schwarz-Gelb ab. Aber Hoffnungen auf einen Machtverlust von Angela Merkel bei der Bundestagswahl lassen sich daraus nicht ableiten, meint Arno Klönne
Hannover gibt die Richtung für Berlin vor – das wollten die Medien dem Wahlvolk einreden. Die Niedersachsen, bekanntlich erdverwachsen, hat das nicht sonderlich in Leidenschaften versetzt. Soweit sie ihre Stimmzettel ablieferten – besonders eifrig taten sie das nicht – wählten sie landespolitisch, auf das Kalkül ausgerichtet, die bisherige Regierungskoalition im Schloss an der Leine zu bestätigen oder abzulösen.
Nun wird, wenn alles für ihn gut geht, der bisherige Oberbürgermeister der Landeshauptstadt zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn ist das gewiss nicht der Weg ins Bundeskanzleramt, anders als einst bei Gerhard Schröder. Der wurde bei einer Landtagswahl mit dem Spruch angepriesen: »Ein Niedersachse muss Bundeskanzler werden«, ein Vermögensbildner hatte sich das ausgedacht. Damit sollte Oskar Lafontaine als innerparteilicher Rivale beiseite gedrängt werden, was auch gelang.
FDP überlebt dank Leihstimmen
Diesmal spielte ein Wettbewerb um die Kanzlerkandidatur in der SPD keine Rolle, die Sozialdemokraten haben ja schon ihren Spitzenmann für diese Prozedur. Der allerdings hat seinen Wohnort nicht im Niedersächsischen, und dort ging die SPD im Wahlkampf mit ihm recht zurückhaltend um.
Stimmen hat er seiner Partei nicht gebracht, der diesmalige bescheidene Zuwachs wäre ohne ihn ansehnlicher ausgefallen. Die CDU hat einige Prozente eingebüßt, aber diese Stimmen hat sie nicht dauerhaft verloren, sie sind als Leihgabe geparkt bei der FDP.
Grüne im Hoch, LINKE im Tief
Für die kommende Bundestagswahl wirft das für alle Merkel-Fans taktische Fragen auf: Die Zweitstimme den Freidemokraten geben – hilft das der Kanzlerin oder bringt es diese in die Bredouille? Und die FDP ist weiter in Verlegenheit, ihre niedersächsische Wiederbelebung ist künstlicher Blutzufuhr zu verdanken.
Rundum zufrieden können die Grünen sein. Auch in Niedersachsen haben sie Stimmen über das urbane Milieu hinaus an sich gezogen, als gutbürgerliche Politikanbieter sind sie etabliert.
Im Trauerzustand ist die Linkspartei, zumindest die Wessis haben nicht viel mit ihr im Sinn. Aber wenn es darum ging, einem Sozialdemokraten den Weg ins Ministerpräsidentenamt zu ebnen – warum dann nicht gleich die SPD oder die Grünen wählen? Dass linksparteiliche Beihilfe eine rot-grüne Landesregierung in wagemutiges politisches Handeln treiben könnte, mochten potenzielle linke Wählerinnen und Wähler nicht glauben.
Kaum Chancen für Steinbrück
Manche Kommentatoren schreiben jetzt dem Wahlausgang in Niedersachsen hohe bundespolitische Bedeutung zu. Endlich sei die Frontlage für den Herbst klar, meinen sie: Zwischen zwei Lagern müssten die Wählerinnen und Wähler sich dann entscheiden, antagonistisch: Schwarz-Gelb oder Rot-Grün.
Als wahlwerbende Inszenierung? Oder als haltbare Alternative für das, was nach der Wahl kommt, die Bildung eines Bundesregierungsbündnisses? Nichts deutet darauf hin, dass Steinbrück seine Partei zu einem triumphalen Sieg über die jetzige Bundeskanzlerin führen könnte, sie ist, obwohl keine Niedersächsin, bemerkenswert sturmfest.
Merkel hat die Partnerwahl
Sentimentale Eigenschaften sind bei ihr nicht festzustellen, sie wird nach vollzogener Abgabe der Stimmen und Verteilung der Mandate für den Bundestag auch bereit sein, je nach der Konstellation, die SPD als kleinere Partnerin an einer Regierung zu beteiligen. Und in ihrem Hinterkopf wird der Gedanke nicht verschwinden, dass notfalls die Grünen regierungsfähig auch im Bund sind.
An den Sozialdemokraten würde eine Koalition mit den Christdemokraten nicht scheitern; andererseits würden die Grünen sich auch nicht allzu sehr genieren, in ein schwarz geführtes Regierungsbündnis einzutreten, beide Parteien habe als prioritäres politisches Ziel: Dabeisein, wenn es ums Regieren geht. Vorgegeben hat Hannover bundespolitisch nichts, es liegt an der Leine, die mündet nicht in die Spree.
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