Die umFAIRteilen-Kampagne für eine höhere Besteuerung von Vermögen gewinnt an Fahrt. Sie wird politisch auch von Teilen der SPD und den Grünen unterstützt. Wie soll die Linke damit umgehen? Stefan Bornost macht Vorschläge
Anfang August ist die umFAIRteilen-Kampagne gestartet. Die Kampagne soll Druck für eine Vermögensteuer machen, bis zur Bundestagswahl im Herbst 2013 laufen und am 29. September mit Demonstrationen in Berlin, Köln, Frankfurt, Hamburg und weiteren Städten in die Mobilisierungsphase treten.
Initiatoren der Kampagne sind Verdi, Attac und der Paritätische Wohlfahrtsverband – der Unterstützerkreis ist aber breiter und schließt die LINKE ebenso ein wie die Grünen und Teile der SPD wie die Jusos.
2013 ist die Bundestagswahl und natürlich versuchen SPD und Grüne, das Wasser der umFAIRteilen-Kampagne auf ihre Mühlen zu lenken. Sie werden versuchen, einen rot-grünen Wahlerfolg bei der Bundestagswahlen als zentrale politische Perspektive in der Kampagne zu verankern.
SPD und Grüne stützen Merkel
Doch eine Perspektive zur wirkliche Veränderung zum Guten ist dies nicht – Missstände, welche die SPD heute verdammt, wie der entfesselte Finanzsektor, niedrige Steuersätze für Reiche und Konzerne sowie ein expandierender Niedriglohnsektor hat sie gestern in Regierungsverantwortung selbst eingeführt. Die bisherige historische Erfahrung legt nahe, dass auch eine rot-grüne Bundesregierung keinen Konflikt mit Konzernen, Banken und Großverdienern wagen würde.
SPD und Grüne standen bei den Abstimmungen über die verschiedenen europäischen Verelendungs- und Entdemokratisierungsprogramme, ob sie jetzt als Rettungspakete oder Fiskalpakt maskiert wurden, treu an Merkels Seite. Sie sind die Hauptstütze einer innerlich gespaltenen und politisch schwachen CDU/FDP-Koalition. Die Unterstützung Merkels durch Sozialdemokraten und Grüne und leider auch Teile der gewerkschaftlichen Führungen ist das Geheimnis ihrer Popularität.
Rot-grünes Sündenregister
Verständlich also, wenn die radikaleren Teile des umFAIRteilen-Bündnisses eine Vereinnahmung der Kampagne durch SPD und Grüne fürchten. Pedram Shayar von Attac hat einen Debattenbeitrag im Neuen Deutschland zum Thema geschrieben. Darin zählt Pedram die zahllosen Sünden von SPD und Grünen auf und kommt zu folgendem Schluss.
»Solange sich SPD und Grünen davon nicht absetzen, darf Attac sie nicht als Partner für eine Umverteilungspolitik durchgehen lassen. Nach all dem was sie angestellt haben, versuchen sie nun auf diesem erfolgreichen Zug aufzuspringen, obwohl sie natürlich nicht Teil dieser Kampagne umFAIRteilen sind. Diese Geschichte darf sich aber so nicht wiederholen. Attac darf nicht Teil einer Re-Legitimierung von SPD und Grünen werden und ihnen helfen, ihre Oberfläche sozial zu polieren.«
Untauglicher Weg
Die geäußerten Bedenken gegen eine Instrumentalisierung der Kampagne sind legitim, der vorgeschlagene Weg aber untauglich. SPD und Grüne werden ihre eigene Politik, ob vergangen oder aktuell, nicht kritisieren, geschweige denn »sich davon absetzen«.
Wenn die radikale Linke auf dieser Grundlage nicht mit dem rot-grünen Lager zusammenarbeiten will, muss sie: a) Entweder dafür plädieren, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit SPD und Grüne gibt. Das würde aber die Kampagne schwächen und die Ausstrahlungskraft vor allem ins gewerkschaftliche Milieu mindern. Oder: b) Selbst das Bündnis verlassen beziehungsweise gar nicht erst mitmachen. Das überlässt dann aber den rot-grünen Wahlkämpfern völlig das Feld und schneidet antikapitalistische Kräfte von der Debatte ab.
Rot-grüne Schwächen aufzeigen
Was also tun? Zum Glück gibt es mehr Optionen, als sich kritiklos als rot-grünes Beiboot in die Kampagne einzureihen oder Boykott und Verengung des Bündnisses. Die radikale Linke kann sowohl die Kampagne aufbauen als auch ihre politische Eigenständigkeit und Radikalität bewahren.
Grundvoraussetzung dafür ist, dass die radikale Linke im Allgemeinen und die Partei DIE LINKE im Speziellen mehr, besser und politisch zugespitzter mobilisiert und auftritt als die politische Konkurrenz aus der rot-grünen Ecke. Das sollte nicht schwer sein, denn Sozialdemokraten und Grüne haben erhebliche politische Schwachpunkte, welche wir aufgreifen können.
Eine echte Vermögensteuer
Einer dieser Schwachpunkte liegt beim Thema der Kampagne selbst – der Vermögenssteuer. Die umFAIRteilen-Kampagne selbst legt sich nicht auf ein genaues Besteuerungsmodell fest – angedacht ist aber ein individueller Freibetrag von 1 Million und ein Freibetrag von Betriebsvermögen von 2-5 Millionen.
Damit sind circa 400.000 Personen von der Vermögenssteuer betroffen, mit einem Satz von 1,5 Prozent, erwartetes Einnahmevolumen ist 20 Milliarden Euro im Jahr. Das ist bei weitem weniger als die rot-grünen Steuererleichterungen Reichen und Konzernen an Ersparnis gebracht haben – aber immer noch mehr als das just vorgestellte Vermögenssteuermodell von SPD und Grünen: ein Prozentsatz von 1 Prozent bei einem Freibetrag von 2 Millionen, geschätztes jährliches Volumen 11,5 Milliarden Euro. Das ist kein Kurswechsel in Richtung Umverteilung, sondern eine symbolische Geste für den Wahlkampf.
Die Beschlusslage der LINKEN ist 5 Prozent Besteuerung bei einem Freibetrag von 1 Million. Diese Forderung sollte DIE LINKE im Rahmen von umFAIRteilen nicht fallenlassen, sondern weiter vertreten, um zu unterstreichen, dass die Partei es mit Umverteilung ernst meint.
Reichtum abschöpfen
Auch weitergehende Vorschläge sind denkbar. So hat Attac ein radikales Konzept vorgeschlagen: Eine einmalige, europaweit erhobene Abgabe für die oberste Reichtumsschicht, die 1 Prozent der Gesellschaft ausmache.
Durchschnittlich sollen die Vermögen dieser Menschen mit 50 Prozent belastet werden. Die Abgabe soll nach Angaben von Attac sowohl Geld- als auch Sachvermögen umfassen und progressiv gestaffelt sein: Ein »einfacher Millionär« müsste demnach 20 Prozent seines Vermögens abgeben, Mehrfach-Milliardäre würden mit bis zu 80 Prozent belastet.
Radikal umverteilen
Diese Forderung ist zwar nicht Beschlusslage der LINKEN, wurde aber von Katja Kipping und Bernd Riexinger mehrfach aufgenommen, und hilft, ein radikales Umverteilungsprofil zu erstellen. Natürlich verändern Forderungen, und seien sie auch noch so radikal, nicht die Welt – dazu bedarf es Massenbewegungen, die anhand dieser Forderung aktiv werden.
Dennoch ist ein eigenes radikales Umverteilungskonzept im Rahmen von umFAIRteilen sinnvoll, weil es die Unterschiede deutlich macht zwischen rot-grüner Symbolpolitik und einem antikapitalistisch motivierten Frontalangriff auf die Besitzenden, wie ihn DIE LINKE will.
Kämpfen für Mindestlohn
Ein weiteres Thema, um die politischen Unterschiede zwischen Rot-Grün und der LINKEN herauszuarbeiten, ist der Mindestlohn. Zwar ist umFAIRteilen eine Ein-Punkt-Kampagne zum Thema Vermögenssteuer, der Mindestlohn nicht Teil der Kampagnenforderungen. Dennoch fordern alle an der Kampagne beteiligten politischen und gewerkschaftlichen Kräfte sowie Attac einen Mindestlohn. Es ist davon auszugehen, dass diese Forderung auch von nahezu allen, die am 29. September auf die Straße gehen werden, unterstützt wird.
Auch hier kann sich DIE LINKE eigenständig profilieren, indem sie über eine Umsetzungsperspektive redet. SPD und Grüne versprechen, einen Mindestlohn einzuführen, wenn sie an der Regierung sind. Ob dies passiert, und wenn ja, ob flächendeckend oder branchenweit, steht in den Sternen.
Die Perspektive der LINKEN hingegen setzt auf Selbstaktivität – Kämpfe gegen Niedriglöhne durch die betroffenen Arbeiter. Deshalb die Unterstützung der Streiks der Gebäudereiniger vor einiger Zeit, deshalb die praktische Solidarität zum Beispiel mit den Maredo-Mitarbeitern gegen die Ausbeuterpraktiken ihrer Geschäftsführung. Diese Orientierung auf Arbeiterkampf differenziert die LINKE – das sollte auf den Demos auch herausgestellt werden, indem kämpfende Arbeiter in Person, als Redner oder als Thema bei den Demos präsent sind.
Merkel gegen den Sozialstaat
Und schließlich die wesentliche Differenz: Die Haltung in der Eurokrise. In Griechenland, Spanien Italien und anderen Ländern werden die nationalen Regierungen von der Troika unter Führung von Merkel in einen Klassenkrieg gedrängt, einen Frontalangriff auf Arbeitnehmerrechte und Sozialstaat.
Wenn auch die Initiative von der Troika ausgeht, so sind die nationalen herrschenden Klassen keineswegs Opfer Merkels: Sie wollten so und so den Sozialstaat angreifen und hoffen, mit der Ausrede »Die Deutschen zwingen mich« Klassenwut nationalistisch umzulenken – das Gegenstück zur Pleitegriechen- und Südeuropäer-Hetze hier.
Am Ende des Tages werden Durchbrüche des Kapitals auf ihren Experimentierfeldern in Südeuropa auch Arbeiter hier unter Druck setzen, weil sie neue Negativstandards setzen, die via EU-Legislation verallgemeinert werden.
Gemeinsam kämpfen
Die Antwort darauf ist Internationalismus auf Klassenbasis – Solidarität der Kämpfenden. Diese Ausrichtung unterscheidet DIE LINKE scharf von SPD und Grünen, die Merkels Politik entweder unterstützen, oder da, wo sie kritisieren, »nationale Interessen« Deutschlands anführen. Das Problem der SPD-Führung mit der Merkel-Linie ist nicht die Verelendung und die Verschiebung der Kräfteverhältnisse zugunsten der europäischen Kapitalisten, sondern die Beschädigung deutscher Exportinteressen bei einem möglichen Zusammenklappen des Währungsverbundes.
Für die SPD soll am Ende der Eurokrise ein sozial stabiles, politisch zentralisierteres und wettbewerbsfähiges Europa stehen. Linke hingegen wollen eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse zugunsten der Arbeiterklasse, die Etablierung von Ansätzen von Arbeiterselbstaktivität und -verwaltung, wie sie bei Betriebsbesetzungen in Griechenland oder bei der Selbstorganisation der streikenden asturischen Bergarbeiter zu sehen sind. Sie wollen eine stärkere Bewegung von unten und die Desintegration der Institutionen des neoliberalen Europa, nicht deren Stärkung.
Das sind offensichtlich völlig verschiedene Ansätze, die in der Kampagne und insbesondere bei den Demoauftritten am 29. September deutlich gemacht werden müssen. Unwahrscheinlich, dass die SPD Plakate druckt, auf denen »Wir sind alle Griechen – Solidarität mit dem Widerstand« steht – ihre Mittäterschaft bei Merkels Kurs steht ihnen hier im Weg. DIE LINKE hingegen kann diesen Pol der europäischen Solidarität darstellen – und sollte diese Chance nutzen.
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