Vor drei Jahren urteilte der Internationale Gerichtshof in Den Haag, dass die Sperrmauer, die Israel im Westjordanland errichtet, illegal sei. Der Bau geht weiter und erstickt die schwache palästinensische Wirtschaft. Der Gaza-Streifen ist inzwischen so gut wie komplett von Hilfe abhängig.
Von Jan Maas, mit Material von IRIN
Das ehemals recht erfolgreiche Industriegebiet des Dorfes Mas’ha ist heute praktisch eine Geisterstadt. Die Mauer – hier eine Mischung aus acht Meter hohen Betonblöcken, Zäunen und Stacheldraht – reicht bis nah an die Gebäude heran.
„Die Mehrheit der Betriebe hier hat zugemacht, seit die Mauer gebaut wurde“, sagt Moad Issa, Arbeiter in einem Möbelladen, einem der wenigen noch geöffneten Geschäfte. „Es ist jetzt viel schwieriger, Arbeit zu finden“, klagt Issa. Sein schmaler Lohn als ungelernter Arbeiter ernährt seine drei jüngeren Geschwister und seine Eltern.
Im Juli 2004 hatte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag mit 14 zu 1 Stimmen erklärt, dass der Bau der Mauer zwischen Israel und dem Westjordanland illegal sei. Die Richter verurteilten besonders, dass die Sperranlage zum großen Teil auf palästinensischem Gebiet verlaufe. Doch die Sperranlage bleibt.
Getrennt von Feld und Familie
Insgesamt liegen 15 palästinensische Siedlungen mit rund 50.000 Einwohnern in der Sperrzone zwischen der Mauer und der eigentlichen Grenze zwischen Israel und dem besetzten Westjordanland. Durch diesen Mauerverlauf gemeindet Israel Siedlungen in das Staatsgebiet ein, die der IGH für illegal erklärt hat.
Jamal Salman aus dem Dorf Hable. Sein Land ist durch die Mauer halbiert und er sorgt sich um die Ernte auf der anderen Seite, denn er hat keinen Erlaubnisschein für die Sperrzone. Foto: Shabtai Gold (IRIN)
Die Mauer legt nicht nur Industrie und Handel lahm, sondern auch die Landwirtschaft. Oft trennt die Anlage Bauern von ihrem Land ebenso wie Menschen von ihren Familien. Die Betroffenen sind auf eine Vielzahl von Erlaubnisscheinen zum Betreten und Verlassen der Sperrzone angewiesen.
Die israelische Verwaltung meint, es gebe genug Tore in der Sperranlage, doch sie begrenzt die Zahl der insgesamt gültigen Erlaubnisscheine strikt. Ein Sprecher des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge UNRWA erklärt, dass die Tore keine menschliche Lösung seien und dass sie oft völlig unsinnig platziert seien.
Geraubte Würde
Unterdessen vergrößert die anhaltende Blockade des Gaza-Streifens auch dort die wirtschaftliche Not. Sami al Hessi war bis zur jüngsten Sperre unabhängig. Jetzt ist er von UNRWA abhängig. Die Näherei, in der er arbeitete, musste schließen, weil sie keine Rohstoffe mehr einführen und keine fertigen Produkte mehr ausführen konnte.
„Ich kann die Bedürfnisse meiner Kinder nicht erfüllen. Wonach sie auch fragen, die Antwort heißt Nein.“ Er versuchte, bei Verwandten als Fischer zu arbeiten, aber wegen der israelischen Fischereisanktionen war das unmöglich.
Ein Helfer des UN-Hilfswerks UNRWA in einem Lagerhaus in Gaza. Foto: Shabtai Gold (IRIN)
Durch die jüngste Blockade sind 70.000 Menschen arbeitslos geworden. Von den 1,5 Millionen Einwohnern von Gaza sind 1,1 Millionen von Hilfe abhängig.
„Die Leute hassen es, um Hilfe zu bitten. Sie wollen Arbeit“, sagt Liz Sime von der Hilfsorganisation CARE. John Ging von UNRWA warnt: „Wir erwarten, dass Gaza eine fast vollständig hilfsabhängige Gesellschaft werden wird, eine Gesellschaft von Menschen, die der Möglichkeit der Selbstständigkeit und der Würde der Arbeit beraubt sind.“